Kirchenasyl für eine kurdische Familie
Familie Kaya zwischen Hoffen und Bangen
Wer sich die Liste der in Deutschland gewährten Kirchenasyle in den
letzten Jahren ansieht, wird feststellen, daß es sich bei diesen
Asylsuchenden zu einem sehr großen Teil um Kurden aus der Türkei
handelt. Fast die Hälfte der Kirchenasyle der letzten Jahre wurden
Kurden aus der Türkei gewährt. Dabei handelt es sich zu einem
größeren Teil um Familien mit Kindern. Viele dieser Familien
befanden sich seit Jahren in Deutschland. In der Region Leipzig boten im
Sommer 99 gleich zwei Kirchengemeinden, eine evangelische und eine katholische,
je einer kurdischen Familie aus der Türkei Schutz.
Eine davon ist Familie Kaya, die seit 8 1/2 Jahren in Deutschland lebt.
1990 floh sie aus dem Südosten der Türkei. Nach ihren Aussagen
war es für sie dort nicht mehr auszuhalten. Der Vater, der seit der
Schulzeit in einer kommunistischen Partei der Türkei mitgearbeitet
hatte, war schon vorher in die Region um Istanbul geflohen, wo er illegal
wohnte und zum Teil arbeitete. Immer wieder fragten in seinem Heimatort
Polizeieinheiten nach seinem Verbleib und setzten die Familie unter Druck.
Dort hatte er prokurdische Flugblätter verteilt, Plakate geklebt und
war deshalb mehrmals verhaftet und im Gefängnis auch gefoltert
worden.
Es gelang ihm, seine Frau und seine beiden Kinder nach Istanbul zu
holen. Fluchthelfer hatten für die Familie einen Flug von Frankfurt/M.
nach Kanada vorbereitet. Die Flugtickets waren schon bezahlt, aber das
Flugzeug nach Kanada flog in Frankfurt ohne Familie Kaya ab, weil
ihr Paß nicht als echt anerkannt wurde. So mußte die Familie
in Deutschland einen Asylantrag stellen. Dieser wurde nach der ersten Ablehnung
und darauf folgender Klage in der Hauptsache deshalb abgelehnt, weil
das Gericht davon ausging, daß die Familie im Westen der Türkei
eine Fluchtalternative gehabt hätte, ohne anzuerkennen, daß
sich Herr Kaya dort ja illegal aufgehalten hatte. Die Zulassung zur Berufung
beim OVG wurde ebenfalls abgelehnt, ebenso eine Verfassungsbeschwerde,
ebenso ein weiterer Asylantrag. Die Rechtsmittel sind also so gut wie erschöpft,
und die Ausreise ist "vollziehbar". Es läuft noch eine Klage gegen
die Ablehnung des Folgeantrags, und Herr Kaya hat sich an die Petitionsausschüsse
des Sächsischen Landtages und des Bundestages gewandt. Ein sog. "stilles"
Kirchenasyl in der katholischen Gemeinde Markkleeberg hat der Familie
Schutz in der Phase des Wartens gegeben. Inzwischen hat nach einem Gespräch
der Bundestagsabgeordneten Lüdt (PDS) mit der Zentralen Ausländerbehörde
Chemnitz diese eine Aussetzung der Abschiebung verfügt, solange, bis
über die Petitionen entschieden worden ist.
Eine Hoffnung hatten BeraterInnen und UnterstützerInnen
des Kirchenasyls der Familie in den neuesten Lagebericht des Auswärtigen
Amtes für 1999 gesetzt, besonders auch, nachdem im Juli Außenminister
Fischer die Türkei besucht hatte. Doch der Lagebericht zur Türkei
ist noch immer "geheime Verschlußsache", (so wie es schon der SPIEGEL
im Frühjahr 99 berichtet hatte). Medico international liegen Berichte
vor, daß die türkische Armee bei einem Angriff am 11.5.99 in
der Sirnak/Silopi-Region Giftgas gegen Kurden eingesetzt hat. An diesem
Tag wurden nach dem Bericht 20 Menschen getötet. Ob solche oder weitere
brutalen Details im Lagebericht des Auswärtigen Amtes wiedergegeben
sind, ist fraglich und höchstens zu vermuten. Aber die Geheimhaltung
des Berichtes einerseits und die vielfach bekannten Recherchen zur Türkei
von amnesty international und Pro Asyl andererseits vermögen es schon
zu erklären, daß es so oft Kurden aus der Türkei sind,
deren Asylverfahren negativ entschieden wurde, die aber auf keinen Fall
in ihre Heimat zurück möchten, und die deshalb den Schutz einer
Kirche suchen, um wenigstens aus humanitären Gründen nicht
abgeschoben zu werden.
Die Kinder der Familie Kaya haben sich sehr gut in der deutschen Schule
integriert. Serap, die älteste, hat gute und sehr gute Leistungen
und ist in ihrer Klasse sehr beliebt. Auch das jüngste in Deutschland
geborene Kind, der 8jährige Erkan, geht inzwischen in die Schule und
ist Lesekönig seiner Klasse geworden.
Eine Abschiebung in die Türkei, bei der der Vater aller Wahrscheinlichkeit
nach sogleich verhaftet würde, wäre eine Katastrophe für
die Familie. Der Bürgermeister von Markkleeberg und viele andere
haben sich deshalb für Familie Kaya eingesetzt. Mit der
Familie bangen auch die UnterstützerInnen des Kirchenasyls: Was geschieht,
wenn die Petitionen negativ beschieden werden? – Noch besteht ein Fünkchen
Hoffnung.
Marianne Kurek
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Diese Seite wurde aktualisiert am 01.10.2020.