Bericht über das Projekt „Deutsch für Flüchtlinge“
Im März 1997 hatte der Flüchtlingsrat angefangen, kostenlosen
Deutschunterricht zu erteilen (siehe Artikel in „Flucht und Asyl“ Nr. 7).
Die beiden damaligen ABM-Mitarbeiterinnen, Stephanie Dahab und Joke
Oud, beide Lehrerin von Beruf, hatten zusammen mit anderen Mitgliedern
des Flüchtlingsrates und einigen ehrenamtlichen Lehrerinnen dieses
Projekt vorbereitet und gestartet.
Seitdem hat durch den Flüchtlingsrat kontinuierlich Deutschunterricht
stattgefunden. Lediglich eine Unterbrechung gab es im Juli-August 1998,
als in der Magazingasse umfangreiche Bauarbeiten anstanden. Als wir im
Oktober 1998 in die Sternwartenstraße umziehen mußten, war
der versprochene Veranstaltungsraum noch nicht frei. Dankenswerterweise
aber stellte Café Caktus, im selben Haus ansässig, bis Januar
1999 seinen Veranstaltungsraum kostenlos zur Verfügung, so daß
der Unterricht nicht unterbrochen werden mußte.
Insgesamt haben 21 Personen, überwiegend Frauen, aber auch einige
Männer, bei uns Deutschunterricht erteilt. Es waren LehrerInnen, RentnerInnen
und StudentInnen, die in ihrer Freizeit unterrichtet haben. Mehrere Studentinnen
im Fach Deutsch als Fremdsprache konnten damit ihr Praktikum absolvieren.
Im Durchschnitt hat jede/r LehrerIn 10 Doppelstunden unterrichtet, manche
aber viel mehr, andere haben nur einige Stunden vertretungsweise gegeben.
Die Gruppengröße fluktuierte stark. Am Anfang eines Kurses waren
es meistens 20 bis 30 Personen, aber wir hatten auch schon mal 40 Teilnehmer.
Am Ende eines Kurses waren es dann noch um die 10 Personen. Wenn die Teilnehmerzahl
auf ungefähr 5 gesunken war, wurde die Gruppe aufgelöst, oder
mit einer anderen Gruppe zusammengelegt. Wir erteilten überwiegend
Anfängerunterricht. Im Durchschnitt begannen wir alle zwei Monate
mit einem neuen Anfängerkurs. Meistens wurde gleichzeitig auf zwei
Niveaus unterrichtet: ein Totalanfängerkurs (Alphabet und Phonetik)
und ein Fortsetzungskurs (Basisgrammatik und –vokabular). Wenn genug LehrerInnen
vorhanden waren, konnten wir auch mal einen Kurs für etwas Fortgeschrittenere
anbieten. Die Totalanfängerkurse dauerten einen bis anderthalb Monate
mit zwei oder dreimal pro Woche Unterricht. Danach wurden meistens 2 Gruppen
zusammengelegt und ein Fortsetzungskurs angeboten. Die Kursdauer von einem
bis anderthalb Monate hat sich generell bewährt, denn das ist ein
überschaubarer und vorausplanbarer Zeitraum, sowohl für die Asylbewerber
als auch für die LehrerInnen.
Der Bedarf nach kostenlosem Deutschunterricht (inzwischen verlangen
wir 2,- DM pro Kurseinheit für Fotokopien und anderes Material) ist
nach wie vor groß, weil für Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge
kein Deutschunterricht gefördert wird. Auch nach § 51 AuslG anerkannte
Flüchtlinge wurden und werden auch in Zukunft nicht gefördert
werden, wie das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 11.5.2020 entschied.
Lediglich nach Art. 16a GG anerkannte Flüchtlinge können über
das Arbeitsförderungsgesetz gefördert werden. Das einzige, was
sich in letzter Zeit in Leipzig positiv verändert hat, ist die Tatsache,
daß jetzt auch ausländische Bedürftige Recht auf
einen Leipzig-Paß haben und somit an der Volkshochschule Ermäßigung
auf Kursgebühren bekommen können. Für manche Flüchtlinge
könnte dadurch der Deutschunterricht an der Volkshochschule erschwinglich
werden.
Ebenfalls im März 1997 haben wir auch mit Alphabetisierungskursen
für Analphabeten, also für Flüchtlinge, die weder in der
Muttersprache noch in einer Fremdsprache lesen und schreiben können,
angefangen. Wir haben diese Kurse aber bald wieder einstellen müssen:
einerseits erreichten wir nicht die Zielgruppe, die wir im Auge hatten,
nämlich Frauen mit Kindern, andererseits fordert Alphabetisierung
von ausländischen Erwachsenen, die die deutsche Sprache mündlich
nicht ausreichend beherrschen, einen sehr hohen Grad an Kompetenz und Kontinuität
bei den Lehrern. Und die konnten wir mit ehrenamtlichen Mitarbeitern nicht
bieten. (Für anerkannte analphabetische Flüchtlinge, die sich
mündlich in der deutschen oder englischen Sprache ausdrücken
können, gibt es nach wie vor die Möglichkeit, gegen eine geringe
Teilnahmegebühr an Kursen der Volkshochschule teilzunehmen.)
Wir hoffen, dieses Deutschprojekt noch lange fortsetzen zu können.
Wir danken allen LehrerInnen für ihre bis jetzt geleistete Arbeit,
die oft nicht leicht war. Und wir sind natürlich immer interessiert
an neuen LehrerInnen. Bitte melden Sie sich bei Interesse in der Geschäftsstelle!
Es ist geplant, in nächster Zeit eine Broschüre herauszugeben,
in der die gesammelten Erfahrungen zusammengefaßt werden.
Joke Oud
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Projekte des Flüchtlingsrates: Deutschunterricht
Diese Seite wurde aktualisiert am 01.10.2020.