Flüchtlingsrat
Leipzig e.V.: „Stadt Leipzig läßt Flüchtlinge im Stich“
„Tief enttäuscht“ ist der Flüchtlingsrat
Leipzig e.V. über die Entscheidung der Stadt Leipzig, Asylbewerbern
und vielen geduldeten Flüchtlingen, die seit über drei Jahren
hier leben, ab 01.06.2020 weiterhin nur Sachleistungen, also Essen- und
Hygienepakete, zu gewähren. „Die Stadt hat nicht den Mut, die Interessen
der Flüchtlinge gegen den Druck des Sächsischen Innenministeriums
und des Regierungspräsidiums Leipzig zu verteidigen“, sagt Petra Krüger,
Sprecherin des Flüchtlingsrats Leipzig e.V. Während in anderen
sächsischen Städten wie Zwickau oder Chemnitz die Betroffenen
Bargeld erhalten sollen und dies auch in anderen Bundesländern möglich
sei, beuge sich die Stadt den zweifelhaften Beschlüssen der Landesbehörden.
Für die betroffenen Flüchtlinge heißt
dies, dass nach drei Jahren Wartezeit mit abgesenkten Leistungen ihre Zuwendungen
kaum erhöht werden, obwohl sie Ansprüche auf Leistungen entsprechend
Sozialhilfe hätten. Für Haushaltsvorstände und Jugendliche
(von 14 - 17 Jahren) bedeutet dies ca. 40 DM mehr Bargeld im Monat (123,70
DM bzw. 119, 50 DM statt 80 DM), für die übrigen Familienangehörigen
keinen Pfennig mehr (weiterhin 40 DM). Dies bewirken auch willkürliche
Kürzungen: für „Verbrauchsgüter“ (im Wesentlichen Reinigungsmittel
und Toilettenpapier) wird einer Familie mit zwei Kindern z.B. ca. 100 DM
pauschal abgezogen. Den Rest erhalten sie wie bisher als Sachleistungen.
Die Betroffenen empfinden dies natürlich als Betrug, und einige haben
schon mit Boykottaktionen gedroht.
Hintergrund ist, dass ab 01.06.2020 wieder §
2 Asylbewerberleistungsgesetz angewendet wird, der für drei Jahre
außer Kraft gesetzt wurde. Dieser sieht vor, dass Asylbewerber sowie
geduldete Flüchtlinge, die aus humanitären oder rechtlichen Gründen
nicht abgeschoben werden dürfen, nach drei Jahren Wartezeit Leistungen
entsprechend Sozialhilfe erhalten sollen. Der Streit dreht sich um das
Wörtchen: „entsprechend“. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen hatte
schon im Dezember 1994 in einem Eilverfahren entschieden, dass auch die
Form der Leistungen entsprechend Sozialhilfe sein müsse: also Bargeld.
Eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1997 ermöglicht
zwar, dass die zuständige Behörde, aufgrund örtlicher Umstände,
über die Form entscheiden darf. Das Verhältnis von Regel und
Ausnahme wird dadurch aber nicht umgekehrt. Dies tut jedoch der Erlass
des Innenministeriums vom 12.05.2020, nach dem die Stadt nun handelt. Dort
heißt es: „In der Regel werden Geldleistungen nur ausnahmsweise gewährt
werden können, wenn ausgeschlossen werden kann, dass es auf Grund
unterschiedlicher Leistungsformen in derselben Unterkunft zu Störungen
des Hausfriedens kommt.“ Auf die wahrscheinlichen Proteste durch die enttäuschten
Hoffnungen der eigentlich Bevorrechtigten geht der Erlass nicht ein.
Nachdem auch das Regierungspräsidium Leipzig
der Stadt Leipzig vorhielt, ihr Plan, Geld auszuzahlen, sei vorschriftswidrig,
entschloss sie sich, diesem Druck nachzugeben. Der Flüchtlingsrat
Leipzig e.V. bittet die Stadt dringend, den Mut früherer Jahre auch
diesmal aufzubringen und sich für die Flüchtlinge einzusetzen.
Dass es möglich ist, haben andere Kommunen gezeigt. Und selbst im
Erlass des Innenministeriums heißt es: „Allein die zuständige
Behörde ist befugt, die Form der Leistung zu bestimmen.“ Und das ist
laut Verwaltungsvorschrift zum Asylbewerberleistungsgesetz das örtliche
Sozialamt.
Petra Krüger
Sprecherin
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